Das besondere Fossil

Juli 2007- "Riesenwuchs" bei Coenothyris vulgaris
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Oberer Muschelkalk, compressus–Zone Bosseborn
Durchmesser 5cm, "Bauchseite"
Slg.: Oliver Schmid

Beschreibung:

Bei einer Stratigraphie-Exkursion im Frühjahr 2007 wurde in Bosseborn eine mit 5cm ungewöhnlich große Terebratel gefunden. Eine Umfrage unter Sammlern ergab, dass diese Größe für diese Gegend nicht ungewöhnlich zu sein scheint.

Bei weiteren Aufsammlungen im Weserbergland konnten sowohl in den Zwischenschichten als auch in einzelnen Lagen unmittelbar über dem oberen Trochitenkalk gehäuft großwüchsige Terebrateln beobachtet werden.

Bild 2: Rückenseite

Terebrateln sind  sessile Filtrierer. Sie kommen in Baden-Württemberg, Franken und Thüringen im gesamten Oberen Muschelkalk vor. Hier wird jedoch Coenothyris vulgaris nur selten größer als drei Zentimeter.

In einzelnen Horizonten (cycloides-Bank, Bank der kleinen Terebrateln) kommt es jedoch auch zu wahren Massenanhäufungen extrem kleiner Morphen (< 1 cm). Sie wurden von Zenker 1836 wegen ihrer Größe lediglich als Varietät Coenothyris vulgaris var. cycloides bezeichnet und erst später von Kirchner 1934 mit Coenothyris cycloides als eigene Art ausgeschieden. Hagdorn & Simon (1993) und Klug et.al. (2005) sehen Coenothyris cycloides als Immigranten aus der Tethys.
Bei einer umfassenden Untersuchung der Fossilführung zwischen Gänheim-, Schellroda- und cycloides-Bank konnten in Verbindung mit veränderten Umweltbedingungen direkte Zusammenhänge beim Wachstumsverhalten der Terebrateln und Ceratiten nachgewiesen werden. (Rein & Ockert 2000)
Danach dürfte Coenothyris cycloides keinesfalls als eigene Art, sondern nur als ein Ökophänotyp von Coenothyris vulgaris angesprochen werden.

Das regional begrenzte Wachstumsverhalten der Terebrateln im Weserbergland bestätigt diese Deutung auf andere Weise eindrucksvoll. Das auf geringmächtige Profilabschnitte beschränkte Vorkommen der Morphen von Coenothyris vulgaris mit „Riesenwuchs“ berechtigt weder zur Ausscheidung eines neuen Artbegriffs noch zur Annahme einer weiteren Immigration aus der Tethys. Auch hier ist - vergleichbar mit „cycloides“ - eine biologische  Deutung als Anpassung an veränderte ökologische Faktoren nachvollziehbar.

Der „Riesenwuchs“ von Coenothyris vulgaris erscheint als eine bis jetzt auf den Oberen Muschelkalks des Weserberglandes begrenzte Form eines Ökophänotyps.

Bild 3: Coenothyris vulgaris aus den Zwischenschichten von Erkeln.
Durchmesser 3,5 bis 4 cm

Bild 4: von l-r: 3x C. vulgaris var. cycloides, 2 x C. vulgaris juv.? TB4 Bankmitte, 2 x C. vulgaris Top TB4 alle Baden-Württemberg, C. vulgaris knapp oberhalb Top Trochitenkalk Weserbergland, C. vulgaris Top Trochitenkalk Weserbergland

Literatur:

HAGDORN, H. & SIMON, T. (1993): Ökostratigraphische Leitbänke im Oberen Muschelkalk.- Sonderbände der Ges. für Naturkunde in Württ., 2:193-208, 15 Abb., Stuttgart, Korb (Goldschneck).
KLUG, C., SCHATZ, W., KORN, D., REISDORF, G. (2005): Morphological fluctuations of ammonoid assemblages – from the Muschelkalk (Middle Triassicc) of the Germanic Basin – indicators of their ecology, extinctions, and immigrations.- Palaeo 221, 7 – 34, 8 Fig.
REIN, S. & OCKERT, W. (2000): Die enodis-/posseckeri –Zone im Oberen Muschelkalk Thüringens – Ausbildung und Fossilführung.- Veröff. Naturkundemuseum Erfurt, 19: 43-67, 16 Abb., 2 Prof., Erfurt.
ZENKER, J. C. (1836): Ideales Profil der jenaischen Bergschichten. Nebst Erläuterung.- Taschenbuch von Jena, S. 334-338