Das besondere Fossil
März 2008- Ceratites flexuosus PHIL. Ventralskulptur
Beschreibung
Die Ventralseite der Biospezies Ceratites nodosus kann ebenflächig oder
gewölbt, breit oder schmal, glatt oder skulpturiert, marginal kantig oder gerundet
sein. Der Ursprung für diese Merkmalsvielfalt liegt in der heterogenen
Zusammensetzung der Immigranten-Populationen in den neu entstandenen Lebensraum
„Oberes Muschelkalkmeer“. Beim Integrationsprozess der verschiedenartigen
phänotypischen Immigranten-Morphen kommt es zur größten genetischen Vielfalt
in der Ceratitenentwicklung (REIN 2007).
Die „exotischste“ Besonderheit einer dieser Einwanderer-Gruppen bestand in der Ausbildung ventraler Skulpturelemente.
Fast zwei Drittel aller heterogenen Individuen dieser neu entstandenen Fortpflanzungsgemeinschaft bildeten dieses Merkmal in der ersten Integrationsphase aus.
Der prozentuale Merkmals-Anteil „Ventralskulptur“ verringerte sich von der
flexuosus -Zone (Phase „a“ = 63% – „b“ = 61%) bis Mitte der sequens/pulcher -Zone (Phase „c“ = 57%) nur geringfügig.
Auffällig ist danach jedoch der Rückgang um 50% in der oberen sequens/pulcher-Zone (Phase „d“) auf 28,5%.
Bis zu den Ceratiten der spinosus -Zone bleibt dieser prozentuale Merkmals-Anteil authentisch im Genpool erhalten (REIN 2004). Die statistische Bearbeitung der Individuen der meissnerianus/semipartitus –Zone (REIN 2007) bestätigt diesen inzwischen lückenlosen Trend bis ans Ende der nachfahrenlosen Formenreihe.
Abb. 4: Ceratites pulcher „P“, juv., DPhr. 2,8 cm, Diemarden (Abguß), ventrale skulpturelle Bildungen auf Phragmokon und Wohnkammer als verbindende Stege zwischen den Marginalknoten. Slg. Mascke
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Abb. 5: Ceratites spinosus, DPhr. 8,9 cm, Dingelstedt, ventrale skulpturelle Bildungen auf Phragmokon und Wohnkammer als verbindende Stege zwischen den Marginaldornen. Slg. Kilisch
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Abb. 6: Ceratites praenodosus, DPhr. 7,8 cm, Mühlhausen, ventrale skulpturelle Bildungen auf dem Phragmokon als Stege zwischen den Marginalknoten. Slg. Rein
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Abb. 8: Ceratites meissnerianus „P“, juv., DPhr. 10,6 cm, Hain, ventrale skulpturelle Bildung auf dem Phragmokon als Stege zwischen den Marginalkoten. Slg. Rein
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Dieses rezessive Verhaltensmuster des genetischen Merkmals einer Einwanderer-Population ist ein weiterer Beleg dafür, dass anfangs alle Individuen der heterogenen Immigranten miteinander sexuell fortpflanzungsfähig gewesen sein mussten. Auf diese Weise wird auch die ungewöhnlich große Variationsbreite der von ihrer Stammart reproduktiv isolierten Tochterart Ceratites nodosus verständlich.
Bemerkungen zum „fastigatus“-Problem
Skulpturelle Bildungen der Ceratiten-Ventralseite werden allgemein mit dem Begriff fastigat bezeichnet. Ursprünglich besaßen Individuen mit extrem ausgebildetem „fastigatus“-Merkmal Artstatus (z.B. Ceratites fastigatus CREDNER, Ceratites fastigiotenuis ROTHE). Sie waren und sind wegen ihrer Seltenheit ein begehrtes Sammler-Objekt. KEUPP (1985, 2000) deutet fastigate Ceratiten grundsätzlich als pathologische Individuen, die im Zuge der skulpturellen Kompensation ihren lateralen Rippenbauplan auf der ventralen Außenseite des Gehäuses umgesetzt haben.
Dazu ist folgendes zu bemerken: Ceratiten mit ventralen Skulpturelementen besitzen keinen nomenklatorischen Status. Sie sind auch nicht selten, wenn man alle Stufen ihrer Ausbildung (feinste Rippelbildung bis kräftige Rippen) auf gut erhaltenen Steinkernen einbezieht. Die Aussage von KEUPP, nach der alle ventral skulpturierten Ceratiten pathologische Individuen seien, ist falsch, wenn sie auf „alle“ ventral skulpturierten Individuen bezogen wird. Sie ist richtig, wenn der „laterale Rippenbauplan auf der ventralen Außenseite des Gehäuses umgesetzt“ wird. In diesem Fall handelt es sich jeweils um eine Verletzung des Mundsaum-Epithels die eine unterschiedlich große Narbe hinterlässt (vgl. REIN 2005). Dieser Reparatur-Prozess wird als „skulpturelle Kompensation“ GUEX (1968) bezeichnet. Solche Verletzungen sind jedoch selten, haben asymmetrische Gehäusebildungen zur Folge und kausal keine Gemeinsamkeit mit dem Immigranten-Merkmal.
Literatur:
GUEX, J. (1968): Sur deux consèquences particulières des traumatismes du manteau des ammonites.- Bull. Lab. Gèol. Univ. Lausanne, 175: 1-6, 4 Abb., 2 Taf., Lausanne. Bull. Soc. vaud. Sci. natur., 70; 328: , Lausanne.
GUEX, J. (1968): Sur deux consèquences particulières des traumatismes du manteau des ammonites.- Bull. Lab. Gèol. Univ. Lausanne, 175: 1-6, 4 Abb., 2 Taf., Lausanne. Bull. Soc. vaud. Sci. natur., 70; 328: , Lausanne.
KEUPP, H. (1985): Das "fastigatus" -Problem bei Ceratiten des Germanischen Muschelkalks.- Symposium Georg Wagner, Programm und Exkursionsführer: 10, Künzelsau.
KEUPP, H. (2000): Ammoniten.- Paläobiologische Erfolgsspiralen.- Thorbecke Species, Bd. 6: 165 S., Stuttgart.
ROTHE, H. W. (1949): Zum Problem des Ceratites fastigatus CREDN. mit Beispielen von thüringischen Fundorten.- Hall. Jb. f. Mitteldt. Erdgeschichte, 1 ; 1: 27-32, Taf. I-V, Halle.
REIN, S. (1991): Die fastigaten Ceratiten in den Sammlungen des Erfurter Naturkundemuseums.- Veröff. Naturkundemuseum Erfurt, 10: 66-79, 5 Taf., Erfurt.
REIN, S. (2004): Zur Biologie der Ceratiten der spinosus-Zone - Ergebnisse einer Populationsanalyse -; Teil II: Variationsbreite der Skulptur- und Suturbildungen.- Veröff. Naturkundemuseum Erfurt, 23: 33-50, 20 Abb., 2 Prof., Erfurt.
REIN, S. (2005): Zur Biologie der Ceratiten der spinosus-Zone - Ergebnisse einer Populationsanalyse -; Teil III: Schlussfolgerungen zur biologischen Organisation und Lebensweise des Ceratitentieres.- Veröff. Naturkundemuseum Erfurt, 24: 13-34, 18 Abb., Erfurt.
REIN, S. (2007): Die Biologie der Ceratiten der flexuosus-, sequens/pulcher und semipartitus/meissnerianus- Zone – Entstehung und Aussterben der Biospezies Ceratites nodosus - Veröff. Naturkundemuseum Erfurt, 26: 39-67, 32 Abb., 6 Taf., 3 Prof., Erfurt.